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Eine geneigte Wand aus Beton spannt sich vom Boden bis zur Decke auf. Sie ist wuchtig, verdeckt eine Ecke und nimmt dem Raum einen Drittel seiner Fläche. Geheimnisvoll und belebend ist die Stimmung: Graue Betonfliesen mit Vertiefungen, die von einer leuchtend gelben Fugenmasse durchlaufen sind, die Wände und Decke in dunklem Blau gestrichen.
Die Architektin und Künstlerin Katia Rudnicki hat für den ESPACE NINA KEEL ein trapezförmiges Fliesenbild von drei Metern Höhe und vier Metern Breite geschaffen. Aufgrund seiner Dimension kann es nicht gehängt, sondern einzig an die Wand gelehnt werden. Das Fliesenbild ist weniger Objekt im Raum als raumdefinierendes Element: Es nimmt ihm eine Ecke, verleiht eine Schräge, fliesst in den Boden über und dimensioniert den Raum an der Linsebühlstrasse neu.
Gefördert durch das
Stipendienprogramm INITIAL der
Akademie der Künste Berlin entwickelte
Rudnicki ein Relief-System, dessen
Teile spielerisch immer wieder
neu angeordnet werden können, um Wandbilder zu kreieren.
Für die Arbeit ARKANUM bestand die Herausforderung darin, ein amorphes Relief zu einem System umzuformen. Die Überschneidungen und Winkel mussten bei mehreren Platten konform sein, damit verschiedene Bilder mit dem System entwickelt werden konnten.
Würde das Verhältnis von gross und
klein stagnieren, gäbe es keinen
natürlichen Kreislauf. Durch
Verschiebungen kann ein organischer
Prozess erst funktionieren.
In einer Tochter wächst ein Lebewesen
heran, die Tochter gebärt und wird zur Mutter. Ihre Mutter wird zur
Grossmutter. Die Mutter ist das
Bindeglied zwischen Grossmutter und Enkel. Das Enkelkind gedeiht, die
Grossmutter schrumpft. Die Tochter
verliert ihre Mutter, das Enkelkind
verliert die Grossmutter. Dieser Kreislauf
zeigt den natürlichen Prozess von
Verschiebungen und Überlagerungen
der feinen Balance von klein zu gross
und gross zu klein.
Durch das Übereinander- und Aneinanderlegen von Körpern und Räumen, versuchen Katia Rudnicki und Katherine Newton Grössenverhältnisse zu kreieren und damit zu hinterfragen, welchen Massstab man sich selbst gibt. Der menschliche Körper ist ein Orientierungspunkt für das Erfassen einer Grösse. Verändern wir die Dimension unseres Körpers, verändern wir gleichzeitig das Verhältnis zu allem, was uns umgibt.
Während einer einmonatigen Atelierzeit
im Shed im Eisenwerk Frauenfeld
befassten sich die vier Künstlerinnen mit
dem Thema „Kleid“ als Grenze von
Innen und Aussen. Als Selbstexperiment
uniformierten sie sich für einen Monat,
um die Wahrnehmung dieser Grenze zu
verstärken. Tägliche Audioaufnahmen
dokumentierten, wie es sich im Inneren
anfühlt, durch die Uniform das eigene
Individuum in den Hintergrund zu
stellen und als Gruppe zu existieren.
Die Stimmen der Audioaufnahmen
wurden verzerrt, somit anonymisiert,
täglich transkribiert und als Text in der Publikation öffentlich zugänglich
gemacht. Dadurch begannen die vier, diese Grenze auszureizen und
aufzulösen.
Es wurde bemerkbar, wie selbst kleinste Ereignisse zu grossen Themen werden und uns unterscheiden. Scans von Material, Liegengelassenem, Gefundenem, oder auch einem Schnitt in den Finger verdeutlichten dies. Dinge, die von blossem Auge nicht einfach sichtbar waren, sondern durchleuchtet werden mussten, brachten erstaunliche Strukturen zum Vorschein. Es ist der Raum zwischen Mensch und Kleid. Es ist eine Zone, die flimmert, explodiert, sich anspannt und ausdehnt, verstaubt, aufgekratzt ist, verschmutzt und dampft. Es ist eine Zone, die als Filter funktioniert, auf dem sich manche Dinge absetzen und verhärten. Die Ausstellung «KLEID» zeigt weisse Mäntel, die genau wie die Scans überdimensioniert sind. Der Raum zwischen Mensch und Mantel wird vergrössert und die eigene flimmrige Filterzone wird erfahrbar. Staub, Schmutz, Explosionen, Ausdehnungen und Verhärtungen dürfen auf diesen Mänteln Platz haben.
Die Stickerei-Entwürfe sind Linien, die den menschlichen Körper von z. B. der Lippe bis zur Ferse in einer durchgehenden Zeichnungs-Bewegung darstellen. Die Zeichnungen werden mit einer Stickmaschine auf den in der Kollektion benutzen Stoff gestickt. Die durchgehende Linienzeichnung entspricht dem Vorgehen einer Stickmaschine, die die Stickerei möglichst nicht unterbricht, sondern in einem durchgehenden Faden vollendet.
Beim Tragen der Kleidung fällt die Stickerei in den Faltenwurf und die sauber durchgehende Linie der Menschenfigur formt sich in ein Chaos. Es sind nur noch Fragmente des Menschen zu lesen. Die Fotografien für die Kollektion spielen wiederum mit den Motiven der Stickerei-Entwürfe. Durch Überlagerungen, transparente Stellen und der Vermischung von Stickerei und Mensch wird die Thematik hervorgehoben.
Die Frage „Was ist ein Kleid?“ legt die
Basis des Buches. Wir suchen nach
Grenzen, die uns umgeben. Wir bewegen
uns in der Umgebung, entdecken Räume
und Körper, entdecken Grenzen und
Freiheiten, die den Menschen umhüllen.
Im Spiel mit den Dimensionen ist das Experiment auf die Reise nach
unseren materiellen und immateriellen
Grenzen gestartet. Während der
Untersuchungszeit definierten wir das
Kleid als eine Grenze, die sich mit uns bewegt und verändert. Das Kleid
nimmt Formen an, weitet sich, engt ein,
verdreht sich. Körperlichkeit, Kleidung
und Architektur legen das Grundgerüst des Kleides. Innerhalb dieser drei Grenzen kömpft der Mensch
um seinen Rang. Wir stellten uns die Aufgabe, diese
Grenze zu erforschen und als Bild
erfahrbar zu machen und zu inszenieren.
Die Veränderung und Bewegung des Kleides konnten wir durch die andauernde Zusammenarbeit mit dem Mimen Merlin Pohse beobachten und festhalten. Es fand ein Austausch statt, der uns ermöglichte, das Projekt auf einer reflexiven Basis entstehen zu lassen, und gezielt neue Experimente zu entwickeln, die auf die vorherigen Versuche aufbauen. Die Veränderung und Bewegung des Kleides einer einzelnen Person war über Monate unserer Kamera und Beobachtung ausgesetzt. In den Aufnahmen konnten wir ablesen, wie sich der Körper des Mimen, dessen Kleidung und Arbeitsumgebung geändert haben. Die Zeit zeigt die Veränderung, die sich im Fortschreiten, in der Bewegung eines Menschen, äussert.
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